Vernässungen nach Tagebauende

Ausdehnung der durch Braunkohlenbergbau verursachten  Bodenbewegungen 1955 - 2017 [Quelle: LANUV. Daten von Geobasis NRW und RWE Power AG] Ausdehnung der durch Braunkohlenbergbau verursachten Bodenbewegungen 1955 - 2017 [Quelle: LANUV. Daten von Geobasis NRW und RWE Power AG]

Um die Braunkohle im Rheinischen Revier im offenen Tagebau zu gewinnen ist die großräumige Absenkung des Grundwasserspiegels notwendig. Diese erreicht Tiefen von über 500 Meter unter Flur. Je nach Ausmaß dieser Grundwasserabsenkungen und Beschaffenheit des Bodens stellen sich in der Folge Gelände­senkungen ein, die auch beim Grundwasseranstieg nach Tagebauende nicht voll reversibel sind. Bei erfolgtem Wiederanstieg können dann in Gebieten mit ehemals geringem Flurabstand und gleichzeitig größeren Gelände­senkungen Bereiche mit Geländevernässungen entstehen. Was für die Natur gut sein mag, kann sich für Siedlungsbereiche negativ auswirken. Dies zeigt sich schon jetzt im Bereich der besonders von Bodensenkungen betroffenen Erftscholle. Im Einflussbereich des Tagebaus Hambach werden Bodensetzungen von bis zu 7,5 Meter erwartet. Vor allem in der Erftaue ist schon jetzt absehbar, dass eine dauerhafte Sümpfung nach Tagebauende notwendig sein wird, damit die Siedlungen nicht absaufen.

Bis vor Kurzem waren weder das genaue Ausmaß noch die regionale Verteilung der zukünftig - bis zum Jahre 2200 -  zu erwartenden Vernässungen bekannt. Auch der Verursachungsbeitrag durch Bodensenkungen aufgrund der Tagebau-Sümpfungen des RWE konnte nicht verlässlich quantifiziert werden.

Die rot-grüne Landesregierung hatte deshalb vereinbart, das Problem des Grundwasserwiederanstiegs nach Beendigung der Kohleförderung und die damit verbundenen Risiken für Bergschäden zu untersuchen und mögliche Konsequenzen daraus für die Bauleitplanung mit den Kommunen im Rheinischen Revier zu ziehen.

Dabei ging es auch um die Frage, ob eventuelle Ewigkeitslasten des Bergbaus zu quantifizieren sind, für deren Bewältigung der Bergbautreibende eine finanzielle Vorsorge treffen muss. Diese Quantifizierung hat auch Bedeutung für die von der Bergbehörde bei der Zulassung von Betriebsplänen vorzunehmende Prüfung, ob sie die Zulassung erforderlichenfalls von der Leistung einer Sicherheit abhängig macht.

Untersuchungsprogramm „Flurabstandsprognose im Rheinischen Braunkohlerevier“

Mit einem im Juni 2016 begonnenen unter 2022 (vorerst) abgeschlossenen Untersuchungsprogramm unter Federführung des Landesumweltamtes (LANUV) will die Landesregierung die Problematik aufarbeiten. „Wegen der speziellen Bedeutung und dem großen öffentlichen und auch kommunal-politischen Interesse ist eine intensive, fachlich objektive und vor allem transparente Bearbeitung dieser Problematik notwendig“, so das LANUV.  Unter breiter Beteiligung - auch des BUND - nahmen eine Facharbeitsgruppe und ein größeres Beratungsgremium ihre Arbeit auf.

Zur Bearbeitung der Problematik wurden im ersten Schritt unterschiedliche Prognoserechnungen mit einem Grundwassermodell sowie Prognosen für die Entwicklung der Geländeoberfläche mit einem neu entwickeltem Modell angestellt und die Ergebnisse zusammengeführt. Auf Grundlage der Modellergebnisse sollte es dann möglich sein, Risikogebiete im Hinblick auf die Vernässungsproblematik auszuweisen, den Anteil der Bergbautätigkeit an einer potenziellen Vernässung abzuschätzen und Gegenmaßnahmen überschlägig zu simulieren, um die dafür erforderlichen Aufwendungen abschätzen zu können. 2022 wurde der Abschlussbericht vorgelegt.

Zentrale Projektergebnisse

Potenzielle Vernässungsbereiche nach dem Bergbauszenario. [Quelle: LANUV] Potenzielle Vernässungsbereiche nach dem Bergbauszenario. [Quelle: LANUV]

Die Berechnungen und Prognosen dieser ersten Untersuchung basieren auf den Tagebauplanungen, wie sie noch 2018 bestanden. Sie betrachtet einen Zustand nach dem Ende des Braunkohleabbaus, wie er mit dem Abstellen der Pumpen einhergehendem Wiederanstieg des Grundwassers im Jahr 2200 wahrscheinlich ist.

Demnach werden sich für mittlere hydrologische Verhältnisse großräumig wieder ähnliche Flurabstände einstellen, wie sie vor Beginn des Bergbaus
bestanden. Im Nahbereich von Fließgewässern wie beispielsweise der Niers, Erft, Rur, Schwalm und Nette sowie im Bereich der Stadt Mönchengladbach können damit wieder Flurabstände von weniger als 3 m auftreten. Diese geringen Flurabstände entsprechen weitgehend den natürlichen Verhältnissen, wie sie ohne die künstliche Absenkung des Grundwasserspiegels durch den Tagebau gewesen wären.

Im Rahmen des Projekts wurde zunächst für den Bereich der Erftaue beispielhaft eine Ursachenanalyse durchgeführt. Dadurch sollte ermittelt werden, welche möglichen Vernässungsbereiche auf die Folgen des Bergbaus zurückzuführen sind, also keinen natürlichen Ursprung haben. Solche Bereiche wurden in geringem Umfang um die Autobahnanschlussstelle Türnich herum ermittelt. Im Bereich um die Tagebauseen ergibt die Prognose hingegen ein anderes Bild: Dort werden nicht geringere, sondern größere Flurabstände erwartet als es vor dem Beginn des Bergbaus natürlicherweise der Fall war. Grund hierfür sind die Seespiegelhöhen der geplanten Tagebauseen, die dazu führen, dass die Grundwasserstände im Einflussbereich der Seen etwas niedriger liegen werden.

Mit der neu entwickelten Methode konnten auch erstmalig entsprechende Flurabstandskarten erstellt werden. Diese Karten berücksichtigen unterschiedliche Szenarien: Das Bergbauszenario berechnet, welche mittleren Flurabstände sich langfristig einstellen werden. Das Referenzszenario zeigt, welche mittleren Flurabstände sich (theoretisch) eingestellt hätten, wenn es im Rheinischen Revier keinen Braunkohlebergbau gegeben hätte.

Die zentralen Ergebnisse sollen auch mit dem vorgezogenen  Braunkohlenausstieg weitgehend gültig bleiben. Allerdings müssen die Szenarien jetzt auf Basis der neuen Grundlage  aktualisiert und weiter fortgeschrieben werden.